Jean Philippe und Cordula, die seit Januar
aufgrund eines Arbeitsvertrages von Jean-Philippe in Japan sind, haben uns
eingeladen, sie zu besuchen. Es war eine lange Reise mit einem Aufenthalt
in London.
Nachdem wir um 7 Uhr morgens aufgebrochen sind, kommen wir um 3 Uhr (französischer
Zeit) d.h. 10 h am folgenden Tag in Tokyo an, ohne eine Nacht gehabt zu haben.
Den Jetlag werden wir noch zwei Tage später spüren. Es ist sehr
angenehm, bei blauem Himmel über Sibirien und seine erstarrten Landschaften
zu fliegen. Außer, dass wir nicht 1. Klasse reisen und somit wie
in einem TGV zusammengepfercht sind. Es gibt kaum Platz die Beine ein wenig
zu bewegen. Der Lärm der Motoren begleitet uns die ganze Zeit, und so
wissen wir beruhigt, dass alles funktioniert.
Im Flugzeug verwöhnen uns die Stewardessen
mit Essen und Trinken, sei es um geängstigte Passagiere in Sicherheit
zu wiegen, oder auch um die Zeit schneller verstreichen zu lassen. Wir haben
vor uns einen kleinen Bildschirm mit je 15 englischen Fernseh- und Musikprogrammen
und einer Weltkarte auf der die Flugstrecke angezeigt wird. So können
wir die Höhe, die Außentemperatur, die bereits zurückgelegte
sowie die noch vor uns liegende Flugstrecke genau verfolgen. Zwischen zwei
Nickerchen stellen wir fest, dass wir noch 6895 km hinter uns lassen müssen
und können so beruhigt wieder einschlafen.
Es ist erstaunlich und wunderbar, dass uns diese fliegende Maschine von
der einen Ecke der Erde mit in die andere nehmen kann und das bei einem Komfort,
der vergleichbar ist mit dem vor 25 Jahren, wenn man Frankreich mit dem Auto
durchquerte.
Hier einige ausgewählte Eindrücke.
Mahlzeiten und Speisekarten

Die erste Schwierigkeit besteht darin, ein Restaurant zu finden, das eine
Speisekarte auf Englisch hat, meistens müssen wir uns mit Photos oder
Wachsmodellen zufrieden geben. Angenehm ist jedoch, dass man jedesmal beim
Eintreten in ein Restaurant mit einem Glas Wasser oder grünem Tee empfangen
wird. Des weiteren wird es uns auch nicht leicht gemacht, da wir mit Stäbchen
essen müssen, was an sich schon nicht ganz einfach ist, gleichzeitig
aber noch dadurch erschwert wird, dass man sich kniend vor dem Tisch befindet.
Um dem Ganzen noch etwas Würze zu verleihen, haben die Japaner die Angewohnheit,
lange Nudeln in einer Brühe zu servieren. Und das ist nun wirklich nicht
sehr praktisch! Da gibt es sehr schnell Flecken auf dem T-shirt und die Krämpfe
in den Beinen lassen nicht lange auf sich warten. Man muß die Schüssel
mit den Nudeln unter das Kinn halten, versuchen mit den Stäbchen einige
Nudeln zu erwischen und sie möglichst geräuschvoll einsaugen. Der
Reis dagegen ist im allgemeinen sehr klebrig und lässt sich gut auf die
Stäbchen schaufeln. Eher delikat wird es wieder mit den Sushis, die
muss man nämlich als Ganzes in den Mund schieben, was eine Unterhaltung
dementsprechend schwierig gestaltet. Natürlich darf nichts geschnitten
werden! Die gute Seite dieser Mahlzeiten ist allerdings, dass sie einfach
köstlich sind. Ich habe zwar noch keine Antwort auf meine Frage nach
dem Pro-Kopf-Verbrauch an Reis pro Jahr bekommen, kann mir aber vorstellen,
dass es sich dabei um eine beeindruckende Menge handelt.
Die Uniformen:
Die Bürokraten sind alle gleich angezogen: dunkler Anzug, weißes
Hemd und Krawatte. Ein wenig Vielfalt in den Krawatten ist auch schon alles,
generell sind sie jedoch sehr geschmackvoll. Einige riskieren dann doch etwas
Einfallsreichtum und tragen Hemden in himmelblau, cremefarben oder sogar gestreift!!

Ob in der U-Bahn, im Bus oder Zug, alle Angestellten sind in Uniform. Ebenso
diejenigen, die auf der Straße die Parkplätze (für Autos oder
Fahrräder) bewachen oder am Eingang eines Gebäudes stehen. Ihre
Aufgabe ist es auf Ordnung zu achten, selbst wenn diese sich schon von alleine
einzustellen scheint: unter den Passanten scheint es keine Hektik, kein Anrempeln
und auch kein sich ärgern zu geben. Selbst die Scharen von Gärtnern,
die die Parks pflegen, sind uniformiert.
Da machen natürlich auch die Schulkinder und die Jugendlichen keine
Ausnahme. Jede Schule hat ihre eigene Uniform: Dunkle

Hose für die großen Jungen, Shorts für die kleinen, dazu
weißes Hemd und Mütze und für die Mädchen weiße
Bluse mit Tuch, mit einem kleinen Knoten zusammengehalten, und Faltenrock
(offizielle Länge bis unters Knie, aber sie beeilen sich die Röcke
so weit wie möglich hochzuziehen) marineblaue oder weiße Strümpfe
und dazu ein Hut. Die Schuhe sind zwei Nummern zu groß, da sie diese
ständig ausziehen müssen… und dann erst ihr Gang. Die Mädchen
haben alle X-Beine, die Füße nach innen gebogen, als ob sie auf
Fässern gehen gelernt hätten. Wir konnten nicht herausfinden, ob
es gerade in ist, so zu laufen, oder ob es sich um eine Deformierung handelt…
Aber es ist auf jeden Fall beeindruckend.
Natürlich haben es mir die ganz Kleinen angetan.
Ordnung – Strenge - Pflichtgefühl
Ob auf dem Bahnsteig der U-Bahn oder an der Bushaltestelle; die Japaner
warten alle brav in einer Reihe, schön geordnet und einen regelmäßigen
Abstand zum Vordermann lassend. Zur Hauptverkehrszeit beschleunigen sie zwar
ihre Schritte, aber immer noch geordnet und mit einer guten Portion an Steifheit
und Zielstrebigkeit. Es gibt kein Gedränge, auch wenn man sich am Morgen
in die U-Bahn quetschen muss, indem man sich am Türrahmen einhakt und
einfach den Körper nach innen schwingt.

Diebe muss man in Japan nicht fürchten: die Fahrräder sind nur
mit einem kleinen Schloss abgesperrt und man kann ohne Probleme seine schon
getätigten Einkäufe im Fahrradkorb lassen, während man im nächsten
Geschäft noch etwas besorgt. In der U-Bahn kann man ohne Probleme den
Inhalt der offenen Damenhandtaschen überprüfen. Die Geschäftsmänner
legen ihren Laptop auf den Sitz gegenüber oder ins Ablagenetz über
ihnen, um dann beruhigt darunter zu schlafen, da sie ja völlig erschöpft
sind.
Wir haben auch nirgends Polizeistreifen gesehen. In einem sehr belebten
Viertel konnten wir einen kleinen Unterstand bemerken, einem Zeitungskiosk
nicht ganz unähnlich, in welchem 5 oder 6 Polizeibeamte waren, um eventuelle
Fragen nach dem richtigen Weg zu beantworten (da ja auch die Straßen
keine Namen haben). Dabei zögern sie auch nicht, sich zu bewegen und
den sicheren Schutz des Kiosks zu verlassen, um einem die richtige Richtung
zu zeigen.
Neben den öffentlichen Telephonen sind die Telefonbücher noch
vollständig und nicht einmal angekettet! In Frankreich praktisch unvorstellbar!
In der U-Bahn Wie überall sind auch die Hinweise in der U-Bahn selten
auf englisch. Man muß sich also auf andere Art und Weise zurechtfinden.
Glücklicherweise hat jede U-Bahnlinie eine Farbe und jede Station
eine Nummer.
Sein U-Bahn-Ticket muss man am Automaten kaufen (Automaten, die Scheine
akzeptieren, das korrekte Wechselgeld herausgeben und die v.a. funktionieren!)
und zwar entsprechend der Strecke, die man gedenkt mit der U-Bahn zu fahren.
Aber keine Panik; wenn man mal nicht genug gezahlt hat, kann man die Schranke
am Ausgang nicht passieren und man bezahlt einfach den fehlenden Betrag beim
"Mann in Uniform" und zwar ohne Preiserhöhung oder Strafe! Der Automat
am Ausgang ist mit einer Schranke versehen, die sich nur bei nicht korrektem
Fahrentgelt schließt, ansonsten behält sie einfach das Ticket und
man kann durchgehen.
In den Gängen und auf den Bahnsteigen weisen Reliefstreifen am Boden
sehbehinderten Menschen den Weg (die allerdings nie benutzt werden).
Ungeachtet der Tageszeit schlafen die Fahrgäste jeden Alters, im Sitzen
oder stehend an den Haltegurten hängend oder sie spielen mit ihrem Handy.
Sauberkeit
Alles ist sauber. Keine Papierchen auf dem Boden, aber auch nirgends ein
Mülleimer, keine Graffitis an den Mauern und die Rasen und Gärten
sind in einem einwandfreien Zustand. In der U-Bahn habe ich eine Putzfrau
gesehen, die mit einem riesigen Wattebausch den Zwischenraum zwischen Treppe
und gefliester Wand gereinigt hat. Die immer sauberen öffentlichen Toiletten
sind "kostenlos" und leicht zu finden.
Die Straßen
In den belebten Einkaufsvierteln sieht man riesige sehr bunte leuchtende
Schilder und gigantische Fernsehbildschirme mit Ton. Viele Leute, die alle
ohne zu zögern aber auch ohne Hektik ihrem Ziel entgegenstreben. Vor
den Geschäften schreien Verkäufer ihre Sonderangebote heraus oder
versuchen mit nasaler Stimme die Käufer anzulocken. Hier konnten wir
endlich das belebte Tokyo bestaunen.

Im Businessviertel ragen die Hochhäuser mit ihren Glasfronten über
die Gärten. Auf den Dächern dieser Gebäude sieht man Sportgelände,
Hubschrauberlandplätze, alles ästhetisch sehr schön angelegt.
Wir fühlen uns durch die Hochhäuser nicht eingeengt, da die Straßen
breit sind und in ihnen auch immer diese Ruhe herrscht.
Ein Stückchen weiter kreuzen sich Straßen und Autobahnen über
und unter den Zuglinien, so dass dieses Gewirr aus Verkehrswegen wie ein riesiges
Spinnennetz aussieht. Die elektrischen Kabel sind noch oberirdisch und prägen
das Aussehen der Straßen. Im Falle eines Erdbebens scheint dies die
Hauptgefahrenquelle zu sein. Jean-Phi bestätigt uns, dass die Behörden
die Kabel allmählich eingraben lassen und dass die Tendenz heute dahin
geht, nicht nur schnell der Notwendigkeit entsprechende Bauten (v.a. Eisenbahnlinien
und Autobahnen), sondern auch dem Auge gefällige und mit der Umwelt
verträgliche Brücken und Gebäude zu bauen.

Mitten in dieser avantgardistischen Moderne des 21. Jahrhunderts erscheinen
die Tempel, Pagoden und Schreine wie Wächter überlieferter Traditionen.
Viele Japaner fahren mit dem Fahrrad, z.T. mit Regenschirm und Handy in
der Hand, dafür aber auf dem Gehsteig, auch in den kleinen Straßen,
die von Autos praktisch nicht befahren werden.
Weder Klingeln noch abrupte Bremsaktionen sind zu hören und zu
beobachten.
Die Gärten
Die Gärten sind großartig. Sie werden mit viel Hingabe und gutem
Geschmack gepflegt.
Kleine Brücken überqueren die vielen kleinen Bäche und Wasserfälle,
die alle mit viel Liebe angelegt wurden.

Eine einzige Harmonie von Farben und Formen. Die Bäume werden gehegt
und gepflegt, wie man es sich für ältere Menschn wünschen würde.
Sie werden abgestützt, verbunden, verpflastert und geschnitten, damit
sie dem Betrachter gefallen und auch, damit sie den Taifunen im Sommer und
den Schneemassen im Winter trotzen. Die Japaner gehen gerne in ihren Gärten
spazieren und sind auch sehr stolz auf sie.
Das Land
Wenn man einmal aus den nicht enden wollenden Städten heraus ist, erstreckt
sich vor einem ein mit Wasabi- und Reisfeldern übersähtes Land.
Beim Anblick der Reisfelder denke ich immer zuerst an eine

Überschwemmung. Einige Terrassenfelder. Keine kleinen Dörfer.
Sehr schnell befindet man sich in den Bergen, die bis zum Gipfel mit dichten
Laubwäldern bedeckt sind.
Beim Onkel und Familienmitgliedern von Humi in der japanischen Tradition
In Matsumoto hat sich Humi, der Bruder von Ota-san und ein Freund von Cordula
und Jean-Philippe um uns gekümmert. Er hat uns seine Stadt gezeigt und
v.a. waren wir bei seiner Familie sowie bei Onkel und Tante eingeladen. Eine
typisch japanische Familie, ein traditionelles Haus. Für uns war es eine
große Erfahrung.
Bei Sophie und Benoit
Wir haben auch Sophie und Benoit, die seit zwei Jahren in Tokyo leben, besucht.
Wir konnten ihre Kinder sehen, die sich scheinbar sehr gut in das fremde Land
integriert haben. Es war die Gelegenheit für uns, uns einmal ganz
alleine durch die Stadt und die U-Bahn zu wagen.
Die Läden
Wir waren erstaunt zu sehen, dass sich die Kassen im Supermarkt nicht in
der Nähe des Ausgangs befinden und somit eine Barriere darstellen, sondern
in der Mitte platziert sind. Man kann sich also mit seinem vollen Einkaufskorb
außerhalb der Kassen bewegen. Viele Etiketten sind für uns unverständlich,
die Preise sind aber in arabischen Ziffern angegeben. Allerdings ist z.B.
beim Obst und Gemüse nicht klar, ob die Preisangaben nun für Gewicht
oder für Einheiten gelten. Einkaufen kann unter diesen Bedingungen schwierig
werden!
Die Traditionen
Wir hatten das Glück zwei Hochzeiten zu sehen und die dazugehörigen
Photosessions außerhalb des Tempels zu beobachten, die mit viel Zeremonie
und Ernst durchgeführt werden.

In einem Tempel wurde ein traditioneller Tanz mit der dazugehörigen
Musik, vorgeführt. Um den Tempel zu betreten, musste man die Schuhe ausziehen.
Tempel - Schreine - Pagoden - Paläste
Harmonie der Schwünge in den Fassaden, Skulpturen, Vergoldungen, Malereien
auf Holz und kleine Altäre: all das ist sehr weit von unseren westlichen
Traditionen entfernt und wir haben mit Respekt diese immer von Gärten
und Teichen umgebenen Orte bewundert.
Yoyogi Park
Hier finden sich die Anlagen für die olympischen Spiele 1964. Bis in
die 90er Jahre war es ein beliebter Treffpunkt für Jugendliche. Die Behörden
haben diese Zusammenkünfte aufgrund der zunehmenden kleineren Delikte
untersagt. Seitdem treffen sich die Vertreter der verschiedenen Gruppen (Punks,
Breakers...) sonntags am Eingang des Parks.